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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 27.09.2005
Aktenzeichen: 2 Ss OWi 634/05
Rechtsgebiete: StVO, StVG, BkatV, OWiG, StPO


Vorschriften:

StVO § 41 Abs. 2
StVO § 49
StVG § 24
StVG § 25 Abs. 2 a Satz 1
BkatV § 4 Abs. 1 Nr. 1
BkatV § 4 Abs. 1 Nr. 11.3.7
BkatV § 4 Abs. 2 Satz 2
OWiG § 79 Abs. 6
StPO § 473 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Rechtsbeschwerde wird auf Kosten des Betroffenen mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass das verhängte Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft .

Gründe:

I.

Das Amtsgericht Herne hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach den §§ 41 Abs. 2 (Zeichen 274), 49 StVO i. V. m. § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 165,00 EURO festgesetzt und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt (§ 25 StVG).

Dazu hat das Amtsgericht folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

"Der Betroffene ist verkehrsrechtlich bereits deutlich in Erscheinung getreten. Sein Verkehrszentralregisterauszug weist seit 2002 insgesamt sieben Voreintragungen auf.

...

Der Betroffene befuhr am 19.01.2005 gegen 21.15 Uhr mit seinem Pkw der Marke D, amtliches Kennzeichen I, auf der Bundesautobahn, Fahrtrichtung E, in I u.a. den Streckenabschnitt von Kilometer 49,000 bis zum Autobahnkreuz I, das gerichtsbekannt bei Kilometer 46, 573 liegt. In diesem gesamten Streckenabschnitt wird die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der angegebenen Autobahn durch Verkehrszeichen 274 der Straßenverkehrsordnung (StVO) auf 100 km/h begrenzt.

Auf dem Autobahnteilstück von Kilometer 48,000 bis 47,000 befuhr der Betroffene die Bundesautobahn zur Tatzeit mit einer Geschwindigkeit von mindestens 144 km/h. Die Geschwindigkeitsüberprüfung wurde von den Zeugen M und H durch Nachfahren durchgeführt. Der Betroffene war den Polizeibeamten M und H bereits vor Beginn der Geschwindigkeitsbegrenzung aufgefallen, da er mit hoher Geschwindigkeit die linke Fahrspur der Bundesautobahn befuhr. Die beiden Zeugen waren eigens dafür eingeteilt, die Einhaltung der Geschwindigkeitsbegrenzung zu überprüfen. Aus diesem Grund fuhren sie bereits in Höhe des Kilometers 49,000 hinter dem Fahrzeug des Betroffenen her und stellten einen Abstand von etwa 50 Meter her. Hierzu benutzten sie den Funkstreifenwagen mit dem amtlichen Kennzeichen M, dessen Tachometer am 03.02.2004 justiert worden war. Da sie zunächst keinen gleichbleibenden Abstand herstellen konnten, begannen sie eine Geschwindigkeitsmessung bei Kilometer 48,000. Dabei stellten die Zeugen fest, dass der Betroffene auf dem Autobahnteilstück von Kilometer 48,000 bis Kilometer 47,000 eine Geschwindigkeit von 170 km/h fuhr. Die Geschwindigkeit lasen sie von dem justierten Tachometer ab, dessen Justierungsbescheinigung vom 04.02.2004 im Hauptverhandlungstermin verlesen worden ist. Die Nachfahrstrecke betrug 1000 Meter. Während dieser Nachfahrstrecke hielten die Zeugen M und H einen gleichbleibenden Abstand zum Fahrzeug des Betroffenen von ca. 50 Metern ein. Abzüglich eines Toleranzwertes von 15 % der abgelesenen Geschwindigkeit (= 26 km/h) ergibt sich eine gefahrene Geschwindigkeit bei mindestens 144 km/h. Es liegt deshalb eine Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 44 km/h vor. Das Gericht hat davon abgesehen, die Berechnung der Geschwindigkeitsüberschreitung nach der vom Oberlandesgericht Hamm in ständiger Rechtsprechung (Vergleiche OLG Hamm, VRS Band 76, Seite 38) vorgenommenen Berechnungsmethode zu ermitteln. Hiernach wäre von der abgelesenen Geschwindigkeit ein Abzug von 7 % wegen möglicher Verkehrsfehler, in Höhe von 3 km/h wegen möglicher Ablesefehler und in Höhe von 3 % der abgelesenen Geschwindigkeit wegen möglicher Fahrfehler zu machen. Dies ergäbe einen Sicherheitsabzug von 21 km/h, so dass eine vorwerfbare Geschwindigkeitsüberschreitung von 49 km/h verbliebe.

Bei der erforderlichen und dem Betroffenen zumutbaren Sorgfalt hätte dieser eine Geschwindigkeitsüberschreitung bemerken und unterlassen müssen."

Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung formellen und - unter näherer Begründung - materiellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe zu verwerfen, dass das verhängte Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein nach Rechtskraft in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, kann in der Sache jedoch entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nur in dem tenorierten Umfang Erfolg haben.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat hierzu in ihrer Stellungnahme vom 29. August 2005 Folgendes ausgeführt:

"Die amtsgerichtlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften. Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung durch Nachfahren zur Nachtzeit außerhalb geschlossener Ortschaften entwickelten Grundsätze sind in ausreichendem Maße berücksichtigt worden. Bei den in der Regel schlechten Sichtverhältnissen zur Nachtzeit bedarf es im Urteil näherer Feststellungen dazu, wie die Beleuchtungsverhältnisse waren, ob der Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug ausreichende und trotz der Dunkelheit zu erkennende Orientierungspunkte vorhanden waren (zu vgl. Senatsbeschlüsse vom 14.01.1999 - 2 Ss OWi 1377/98 -, vom 21.12.2001 - 2 Ss OWi 1062/01 -, vom 09.09.2002 - 2 Ss OWi 643/02 - und vom 13.03.2003 - 2 Ss OWi 201/03 -). Weiterhin sind Feststellungen zur Länge der Messstrecke, dem ungefähren Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug, der Justierung des Tachometers des Messfahrzeugs und die Höhe des Sicherheitsabschlages festzustellen (zu vgl. Hentschel, StV, 37. Auflg., § 3 StVO Rdn. 62 m.w.N.).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht.

Bei Berücksichtigung des - geringen - Abstands zwischen Messfahrzeug und dem Fahrzeug des Betroffenen von 50 m und der Länge der Messstrecke von 1000 m sowie der beschriebenen Beleuchtungsverhältnisse erscheint der vorgenommene Toleranzabzug von 15 % der abgelesenen Geschwindigkeit unbedenklich. Er entspricht der Rechtsprechung des Senates (zu vgl. Senatsbeschluss vom 13.03.2003 - 2 Ss OWi 203/03 -). Eines großzügigeren Sicherheitsabschlages bedarf es nach Lage im Einzelfall, um bestehende Unsicherheiten der Schätzung auszugleichen (zu vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2001 - 4 Ss OWi 322/01 -). Dafür ist hier nichts ersichtlich; die Rechtsbeschwerde führt auch nicht aus, aufgrund welcher Umstände sie einen Sicherheitsabschlag von 20 % für erforderlich hält.

Im Übrigen erschöpfen sich die Angriffe der Rechtsbeschwerde in unzulässigen Angriffen auf die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Auch die Verhängung des Bußgelds von 165,00 EUR sowie das Fahrverbot von einem Monat halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Die Erhöhung des Bußgeldes ist bei Berücksichtigung der zahlreichen Voreintragungen des Betroffenen im Verkehrszentralregister nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat weiterhin zutreffend erkannt, dass die Verhängung eines Fahrverbots hier gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Nr. 11.3.7 i.V.m. Tabelle 1 c des Anhangs zu Nr. 11 der Anlage zur Bußgeldkatalogverordnung indiziert ist. Darüber hinaus liegen auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 2 Satz 2 BkatV vor, da gegen den Betroffenen am 09.01.2004, rechtskräftig seit dem 20.02.2004, wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 33 km/h eine Geldbuße festgesetzt worden war.

Das Amtsgericht ist sich auch der Möglichkeit, unter Erhöhung der Geldbuße ausnahmsweise von der Verhängung eines Fahrverbots abzusehen, bewusst gewesen und hat diese Möglichkeit rechtsfehlerfrei abgelehnt.

Jedoch ergibt sich aus den Feststellungen des Amtsgerichts, dass in den zwei Jahren vor der hier in Rede stehenden Verkehrsordnungswidrigkeit ein Fahrverbot gegen den Betroffenen nicht verhängt wurde, so dass die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 a Satz 1 StVG erfüllt sind. Diese Anordnung kann das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 79 Abs. 6 OWiG nachholen."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat an und macht sie zum Gegenstand seiner Entscheidung, so dass nach alledem die Rechtsbeschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO, § 46 Abs. 1 OWiG) ergebenden Kostenfolge zu verwerfen war und lediglich in dem tenorierten Umfang Erfolg hatte.

Ende der Entscheidung

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